Was bedeutet Mulesing-Free eigentlich?

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Was bedeutet Mulesing / Mulesing free?

Mulesing free - Wolle ohne Tierleid bevorzugt

 


Je nachdem wie sehr ihr euch bereits mit Garnen auseinandergesetzt habt, seid ihr vielleicht schon auf Wolle mit der Kennzeichnung „Mulesing free“ gestoßen. Besonders wer flauschig weiche und hochwertige Merinowolle liebt, sollte sich mit dem Begriff Mulesing auseinandersetzen. Vielleicht ist euch gar nicht klar, was der Begriff eigentlich bedeutet. Uns persönlich ist Mulesing freie Wolle äußerst wichtig und deshalb möchten wir euch auf die Thematik aufmerksam machen und euch erklären, warum uns das Thema besonders am Herzen liegt.

Merinoschafe liefern besonders feine Wolle


Vom Mulesing sind Merinoschafe betroffen. Die Wurzeln der Feinwollschafe liegen vermutlich in Nordafrika. Dort betrieben Berber Viehzucht mit den Merinoschafen und brachten bereits im Hochmittelalter erste Zuchttiere der Rasse nach Spanien. Dort wurde die Rasse weiter gezüchtet, um die besonders feine Wolle der Schafe zu nutzen. Es wurden hochwertige Garne zu Stoffen verarbeitet, die vorwiegend durch den Adel getragen wurden. Mit wachsender Beliebtheit der feinen Stoffe aus Merinowolle wurde die Wolle der Feinwollschafe zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für Spanien.

Das älteste erhaltene Dokument, in dem der Verkauf von Merinowolle festgehalten wurde, stammte übrigens aus dem Jahr 1307. In einem notariellen Kaufvertrag wurde der Verkauf von 29 Säcken der hochwertigen Wolle dokumentiert. Als Käufer trat die Genueser Kaufmannsfamilie der Usodimare in Tunesien auf und so gehen Historiker davon aus, dass die Wollhändler die Zucht in Spanien zusätzlich voranbrachten und forcierten. Besonders im Gebiet des Königreichs Kastilien wurden große Herden gehalten, sodass in der Region einst die größten Lieferanten von Merinowolle zu finden waren.

Im 18. Jahrhundert kamen erste Zuchttiere auch nach Deutschland. Besonders in Preußen, Württemberg und Bayern wurde mit der Zucht begonnen. In Deutschland wurde das Merinoschaf mit einer heimischen Schafrasse gekreuzt, sodass in den 1860er-Jahren das Merinolandschaf entstand. Ein Großteil der in Deutschland gehaltenen Schafe zählen heute zu den Merinolandschafen. Mit 70 Prozent ist der Anteil in Bayern besonders hoch, während in Gesamtdeutschland der Anteil der Schafrasse bei 30 Prozent liegt.


Australien als größte Produzenten der Merinowolle


Heute zählt Australien als größter Lieferant für Merinowolle. Die ersten Tiere brachten europäische Siedler nach Australien und Neuseeland. Zahlreiche Familien begannen sich als Farmer in der neuen Heimat niederzulassen und begannen mit der Schafzucht und erwirtschafteten einen Teil ihres Einkommens durch die Wollverarbeitung und den Wollhandel. Im Laufe der Jahre wurden große Merinoschafherden aufgebaut und einige Farmer konzentrierten sich rein auf die Schafzucht. Merinowolle ist heute weltweit beliebt und so beträgt ihr Anteil am gesamten Jahreswollumsatz gut 40 Prozent. Fast 100 Prozent der Merinowolle stammten einst aus Australien. Dieser Wert ist jedoch stark rückläufig, was nicht zuletzt auf das Mulesing zurückzuführen ist. Denn immer mehr Wollliebhaber entscheiden sich bewusst für Mulesing freie Wolle. Trotz stark rückgängigem Absatz halten viele Farmer an der umstrittenen Praxis fest und sind somit nicht in der Lage Mulesing freie Wolle zu liefern.


Die Wurzeln von Mulsing


Wer hinter dem Begriff Mulsing oder Mulesierung an eine Veredelungstechnik für Garne denkt, liegt völlig falsch. Vielmehr handelt es sich um eine fragwürdige Praxis, die mit hohem Tierleid verbunden ist. Regelmäßig protestieren Tierschützer weltweit gegen Mulesing.

Entwickelt wurde das Verfahren durch John W. H. Mules. Der Schafffarmer entdeckte beim Scheren einen Fliegenlarvenbefall bei einigen seiner Schafe. Gerade Merino-Schafen wurde eine faltige Haut angezüchtet, damit die Farmer einen höheren Wollertrag verbuchen konnten. In den so entstandenen Hautfalten entdeckte der Farmer nun immer wieder Fliegenmaden. Eines Tages rutschte er beim Scheren ab und entfernte so nicht nur die Wolle des Schafes, sondern auch eine der Hautfalten am Hinterleib des Schafes. Das zuvor schon mehrfach von Myiasis befallene Schaf blieb danach von einem Fliegenmadenbefall verschont. Die logische Konsequenz des australischen Farmes war es bei seinen Schafen die Hautlappen am Hinterleib zu entfernen.

Wurde die Methode anfangs bei von der Mutter entwöhnten Schafen angewendet, wurde später der Schnitt bereits bei Lämmern durchgeführt, da der Farmer feststellte, dass die Heilung bei den Lämmern wesentlich besser war, da die betroffene Stelle bei Lämmern auch wesentlich kleiner war. Entstanden ist die Praxis in den 1930er-Jahren in Australien, da erst im 19. Jahrhundert Myiasis bei Schafen in Australien auftrat. Es wird vermutet, dass die hauptverantwortliche Fliegenart Lucilia cuprina im frühen 19. Jahrhundert nach Australien eingeschleppt wurde. Ursprünglich kam die Fliegenart vorwiegend in Südafrika vor.


Von der Entdeckung zum gängigen Verfahren


Was einst der Farmer durch Zufall entdeckte, wurde im Laufe der Jahre zu einem gängigen Verfahren. In Australien wird das chirurgische Verfahren durch speziell ausgebildete Personen durchgeführt, die meist von Farm zu Farm fahren und pro Eingriff entlohnt werden. Der Eingriff wird bei Jungtieren zwischen dem Trennungszeitpunkt vom Muttertier und dem ersten Lebensjahr durchgeführt. Anders als bei Operationen, wird beim Mulesing auf eine Betäubung der Tiere verzichtet. Die Jungtiere werden fixiert und es wird ein v-förmiger Schnitt durchgeführt, um die After-Schwanz-Falte zu entfernen. Zudem wird der Schwanz auf Höhe des dritten Schwanzwirbels kupiert. Die Tiere werden nicht mit Schmerzmitteln behandelt, dies gilt sowohl für die Dauer des Eingriffes als auch für die Heilungsphase. Zwar wird der Eingriff heute nicht mehr im Zuge der Schur durchgeführt, sondern mit speziellen Schnittgeräten, jedoch ist und bleibt das Verfahren für die Tiere äußerst schmerzhaft.


Tierschützer vs. Erzeuger


Mulesing ist schon lange ein heiß diskutiertes Thema. Es wundert nicht, dass die Befürworter der Praxis zum größten Teil aus Australien stammen. Die Erzeugung von Merinowolle ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Australien und die Befürworter führen an, dass sich Mulesing bewährt hat und die Schafe vor einem starken Fliegenbefall bewahre. Zwar gebe es andere Methoden, die Tiere vor dem Befall zu schützen, jedoch seien diese nicht ausreichend erprobt und vor allem seien diese nicht wirtschaftlich.

PETA nahm bereits recht früh die australische Woll- und Schafindustrie in den Fokus und rief zum Boykott von Merinowolle aus Australien auf. Immer wieder wurden Bilder und Videos veröffentlicht, wie die australischen Schaffarmer vorgehen, um einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen, und dabei das Tierwohl eine deutlich untergeordnete Rolle spielt.

Als eines der ersten großen Modeunternehmen reagierte Abercrombie & Fitch auf die Zustände in der australischen Woll- und Schafindustrie und stellte die Verwendung von in Australien erzeugter Merinowolle vollständig ein. Zahlreiche weitere Unternehmen schlossen sich an, sodass die australische Wollindustrie deutlich spürbare Umsatzrückgänge hinnehmen musste. Immer wieder gerät die australische Praxis in den Fokus der Öffentlichkeit und so wundert es nicht, dass immer mehr Textilunternehmen sich gegen Mulesing aussprechen. So wurde im März 2020 eine Liste mit internationalen Textilmarken veröffentlicht, die bewusst auf Merinowolle aus Australien verzichten.

Anders als die australische Merino-Industrie legte der Industriezweig in Neuseeland 2010 ein freiwilliges Verbot von Mulesing fest. Im Zuge dessen wurde auch das Qualitätssiegel Zque eingeführt, welches Verbrauchern Mulesing free Wolle aus Neuseeland verspricht. Ein offizielles Verbot des chirurgischen Eingriffs folgte in Neuseeland zum 1. Oktober 2018.


Die Alternativen zu Mulesing bei Merinoschafen


Während wie bereits erwähnt in Neuseeland mittlerweile Mulesing verboten wurde, ist man hiervon in Australien noch weit entfernt. Die australische Woll- und Schafsindustrie fürchtet einen Mehraufwand und somit einen Rückgang der zu erzielenden Gewinne. Doch es gibt mittlerweile nicht-chirurgische Methoden, um die Tiere vor einem Fliegenbefall zu schützen. Hier ein paar Beispiele, wie australische Schafzüchter gegen Myiasis vorgehen könnten:
• Spezielle Plastikclips (breech Clips), um die Schafhaut zu strafen und so die Hautfalten zu minimieren
• Verwendung von sicheren Insektiziden
• Intradermale Injektionen (bestimmte Proteine werden den Tieren per Injektion verabreicht)
• das Forcieren der biologischen Fliegenbekämpfung
• ein Umdenken bei der Zucht


Garn-Hersteller suchen sich alternative Wolllieferanten


Sicherlich ist es noch ein langer Weg, bis ihr im Handel nur noch Mulesing freie Wolle erwerben könnt. Einige wenige Garn-Hersteller verarbeiten aber schon heute bewusst nur Mulesing free Wolle. Dies zeigt, dass auch bei den Herstellern ein Umdenken einsetzt. Grundsätzlich könnt ihr dies natürlich fördern, indem ihr euch immer für Wolle von Herstellern entscheidet, die für Mulesing free stehen.

Diese Hersteller haben sich bewusst von ihren australischen Lieferanten verabschiedet und beziehen Wolle von Merinoschafen von alternativen Lieferanten. Auch wenn die Umstellung in vielen Fällen etwas Zeit in Anspruch nimmt, gibt es immer mehr Garn-Hersteller, die sich der Problematik bewusstwerden. Das Ziel ist es, Mulesing freie Wolle zu edlen Garnen zu verarbeiten, die ihr ohne schlechtes Gewissen weiterverarbeiten könnt.

Entscheidend ist grundsätzlich nicht der Garnhersteller, sondern dessen Bezugsquelle für Merino-Wolle. Hersteller, die ihre Garne als Mulesing free labeln, müssen entsprechend genau auf ihre Bezugsquellen achten und diese auch prüfen. So werden mittlerweile Lieferanten aus Neuseeland und Europa beim Einkauf von Rohwolle bevorzugt, auch wenn die Einkaufspreise bei diesen Lieferanten höher sind als bei den australischen Lieferanten.


Mulesing free – Merinowolle ohne schlechtes Gewissen verarbeiten


Mulesing freie Wolle liegt uns am Herzen, da wir nicht nur Wolle lieben, sondern auch Wert auf Tierwohl legen. Zwar gab es nach einem durch die global agierende Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ erhobenen Ranking im Jahr 2020 nur vier von 28 Herstellern von Strickwolle, die zu 100 Prozent Mulesing freie Wolle anbieten konnten, jedoch nimmt die Zahl der Hersteller zu. Entsprechend bieten wir euch im Shop hochwertige Kaschmirwolle von ausgewählten Herstellern, sodass ihr ohne schlechtes Gewissen weiterhin besonders weiche und wärmende Wolle verarbeiten könnt. Wie ihr an unserer Wollauswahl seht, ist kein vollständiger Verzicht auf Wolle von Merinoschafen notwendig. Vielmehr sehen wir uns als begeisterte Strickerinnen in der Pflicht bewusst auf Mulesing freie Wolle zu setzen. Mulesing free Garne gibt es zwar noch nicht von allen Herstellern, jedoch lohnt es sich, die Hersteller zu unterstützen die ihre Wolle bewusst einkaufen, um ihren Kunden ein tierleidfreies Produkt bieten zu können.

Mulesging freie Wolle bietet euch langfristig einen Mehrwert, denn wenn ihr eure neuen Lieblingsstücke abnadelt, könnt ihr diese nicht nur mit Stolz und mit gutem Gewissen tragen.

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